Berggericht Sterzing-Gossensass

Das Berggericht im Raum Sterzing dürfte Anfang des 15. Jahrhunderts gebildet worden sein und trug ursprünglich wegen der bedeutenden Bergbaue im Pflerschtal und um Gossensass den Namen Berggericht Gossensass. Der Schneeberg gehörte damals noch zum Berggericht an der Etsch. Auf Ersuchen der Gewerken wurde er dann bei der am St. Antonitage 1479 abgehaltenen Bergwerkssynode in Innsbruck dem näher gelegenen Berggericht im Wipptal zugeteilt. Der dortige Bergrichter verlegte daraufhin seinen Sitz in die durch den Bergbau aufblühende Stadt Sterzing und setzte in Gossensass einen Statthalter ein. Daher die übliche Bezeichnung des Berggerichtes: Sterzing - Gossensass.

Im Jahre 1539 gab es in ganz Tirol vom Montafon bis Kitzbühel und von Imst bis Persen (Pergine) 17 Berggerichte. Das Berggericht Sterzing-Gossensass umfasste die Bergwerke in den Gerichten Steinach, Sterzing, Rodeneck, Sarnthein und Passeier. Mit einer Gesamtfläche von rund 2.400 Quadratkilometern zählte es zu den größten Tirols.

In Anlehnung an den Schladminger Bergbrief von 1408 erließ der Tiroler Landesfürst Friedrich IV. im Jahre 1427 für das Berggericht Gossensass die erste Tiroler Bergordnung. Die Tatsache, dass genannte Bergordnung dann für ganz Tirol Geltung erlangte, macht deutlich, dass im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts der Schwerpunkt des Tiroler Bergbaus im Raum Gossensass-Sterzing lag.

Einige Bestimmungen dieser Ordnung räumten den Bergleuten große Privilegien ein: Die Bergwerksverwandten (alle am Bergbau Beteiligten) genossen die sogenannte Freiung, d.h., sie durften vom Landrichter nicht verhaftet werden. Auch alle Bergwerke, Gruben, Halden, Schmelzhütten und Kohlhütten gehörten zur Freiung, so dass auch dort niemand verhaftet werden durfte. Die gesamte Gerichtsbarkeit und Rechtsprechung wurde dem Berggericht mit dem Bergrichter an der Spitze übertragen. Ihm oblag die Verwaltung des Bergregals und die Rechtsprechung für den genannten Sach- und Personenkreis. Häufige Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Gerichten und Streitereien zwischen den Bergleuten und der restlichen Bevölkerung sind verständlich, wenn man die bevorzugte Behandlung der Bergwerksverwandten in Betracht zieht.

Zu den Aufgaben des Bergrichters zählten auch die Erteilung der Schürfgenehmigungen, die Verleihung von Bergbauhalden, Schmelzplätzen, Poch- und Waschwerken, Hüttenwerken, Sägen und Schmieden mit den dazu notwendigen Wasserkräften sowie die Kontrolle der dem Bergwerk zugeteilten Wälder. Er überwachte die Einhaltung der Berg- und Schichtordnung, die Abgaben an den Landesfürsten und beaufsichtigte auch die Lebensmittelversorgung.

Dem Bergrichter zur Seite standen elf Geschworene und der Berggerichtsschreiber, welcher den Richter stets begleitete, denn über Rechtsstreitigkeiten wurde meist an Ort und Stelle entschieden. Urteile verkündete der Bergrichter mit Stock und Gesetzbuch in der Hand im Namen des Landesfürsten als obersten Bergherrn.

Weitere Gehilfen waren der Forstmeister, der Fronbote - zuständig für Botendienste und die Vollstreckung von Urteilen - sowie den Fröner und Silberwechsler, welche die dem Landesfürsten zustehenden Abgaben (Fron und Wechsel) genauestens zu überprüfen hatten. Die Fron war der zehnte Teil (Zehent) des gewonnenen Erzes, während der Wechsel eine Abgabe in ausgeschmolzenem Silber oder in Geld beinhaltete.

Den Gewerken am Schneeberg wurde wegen der extremen Höhenlage und des aufwändigen Erztransportes der Wechsel erlassen.

Verstöße gegen die Anordnungen des Bergrichters, der Geschworenen und des Wechslers wurden mit einer empfindlichen Strafe geahndet. Bei Nichtbezahlung der Strafe sah die Verordnung das Abhacken der rechten Hand vor.

In der Bergordnung war auch die Entlohnung der Arbeiter genau geregelt: Der Lohn musste wöchentlich ausbezahlt werden. Der Schaffer erhielt 1 Dukaten, der Hauer 1 Gulden rheinisch, ein Huntstößer 26 Kreuzer, Säuberer und Erzscheider 22 Kreuzer. Der Schmelzer bekam 1 Dukaten, der beste Hüttknecht 26 Kreuzer, der Köhler 5 – 7 Kreuzer. Für die Holzknechte waren vom Michaelstag bis Jörgentag 5 Kreuzer pro Tag, in der Zwischenzeit 4 Kreuzer vorgesehen.

Um die Mitte des 15. Jahrhunderts errang Schwaz wegen der rasanten Bergbauentwicklung im Unterinntal die Vormachtstellung in Tirol. Für das genannte Berggericht wurden 1447 und 1449 neue Bergordnungen erlassen, die für das ganze Land Anwendung fanden. Doch stellte sich heraus, dass dies wegen der örtlichen Gegebenheiten oft nicht möglich war. Spezielle Bestimmungen für bestimmte Bergwerke mussten erlassen werden. Ein treffendes Beispiel dafür ist die von Kaiser Maximilian erlassene Bergordnung für Gossensass und Sterzing aus dem Jahre 1510. Sie besteht aus 24 Artikeln, wovon mehrere die besonderen Arbeits- und Transportbedingungen am Schneeberg betreffen. Zwei Beispiele: Zwischen dem Michaelstag (29. Sept.) und dem Jörgentag (23. Apr.) musste in den Gruben am Schneeberg nicht gearbeitet werden, wenn die Gewerken rechtzeitig beim Bergrichter ansuchten. Anderenfalls konnten die Gruben neu verliehen werden. Oder: der Acht-Stunden-Tag war zwar einzuhalten, Verspätungen aus triftigen Gründen (langer und beschwerlicher Anmarsch) sollten aber ohne Bestrafung hingenommen werden. Weiters finden wir in der Bergordnung klare Richtlinien für die Gestaltung der Preise bei den Pfennwerten, die Entlohnung der Bergarbeiter, die Überwachung und Kontrolle der Abbauorte und Wälder, die Pflichten des Bergrichters.

Die lange Namensliste der Bergrichter beginnt mit Kunrad Strewn vor 1428 und endet mit Franz Anton von Avanzin im Jahre 1744. In diesem Jahr wurde ein Vertrag mit dem Geheimrat Franz Andree, Freiherr von Sternbach, abgeschlossen, in welchem die Bergwerke des Bezirkes seiner Rechtsprechung unterstellt wurden, welche er bis zur Abschaffung der Berggerichte unter Kaiser Josef II. ausübte.

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