Kaindlstollen (1720-1727)

Lettenkluft: Geologisch instabile Zone, Riß im Berg, wo unheimlicher Druck der Gebirgsblöcke das Gestein zu Lehm (Letten) zerreibt. Bei Stollen, welche entlang von Lettenklüften in den Berg getrieben wurden, ließ sich ein leichter und relativ großer Vortrieb erzielen. Der Berg rächte sich aber langfristig durch Bewegungen und Einstürze, welche aufwändige Holzverbaue notwendig machten und ein großes Sicherheitsrisiko darstellten. Zum Vergleich wurde im harten Felsen des Karlstollens im gleichen Zeitraum von sieben Jahren nicht ein Vortrieb von annähernd 700 Metern, sondern lediglich von etwa 88 Metern bewältigt.

Ohne interne Verbindung zum Schneeberger Grubengebäude ist der Kaindlstollen mit dem Passeirer Mundloch auf 2530 m Meereshöhe der höchst liegende des gesamten Bergwerkes. Sein Bauvorhaben und der Name gehen auf Paul Kaindl zurück, welcher 1712 als Bergmeister auf den Schneeberg kam. Als Durchschlagstollen zwischen dem Schneeberg und dem Lazzachertal sollte er, 170 Meter tiefer als die Schneebergscharte (2700 m) liegend, eine erhebliche Verbesserung des Hauptweges nach Maiern bewirken. Eine Stunde steilen Auf- und Abstieges vermeidend, ging es zudem um eine wetter- und lawinensichere Verbindung ins Ridnauntal und nach Sterzing, welche auch im Winter gangbar bleiben sollte.

Der Aufschlag des “Baues unter dem Knappenjoch” erfolgte 1720 unter dem Bergmeister Franz Söll, dem Nachfolger von Paul Kaindl. Um Arbeit zu sparen, schlug man den Stollen entlang einer Lettenkluft. Dabei kam es 1724 zu einem schweren Unglück:

"Sieben Knappen wurden durch einen Bergsturz eingeschlossen. Fieberhaft versuchten ihre Kollegen, sich zu ihnen durchzugraben. Sie selber versuchten sich ebenfalls zu befreien. Zehn Tage lang hörte man noch ihre verzweifelten Klopfzeichen, dann wurde es still. Als die Rettungsmannschaft die eingeschlossene Gruppe nach vierzehn Tagen erreichte, waren alle verhungert. Ein Knappe hielt noch im Tode einen Knospen (Lederschuh mit Holzsohle) in der Hand, von dem er in höchster Hungersnot genagt hatte." (Antonia Ennemoser)

Im April 1727 wurde der Durchschlag gemacht. Mit einer Länge von 385 Klaftern (680 m) verband der Kaindl bis zu seinem teilweisen Einsturz und der endgültigen gewaltsamen Schließung 1985 die beiden Bergwerksteile in einem angenehmen Marsch von einer Viertelstunde. War er ursprünglich nur für den Durchgang von Personen gebaut worden, so hatte man ihn 1858 für Saumtiere erweitert und 1871 im Zuge der neuen Erztransportanlage auch Geleise verlegt. In der Folge baute man in zwei Seitenstollen auch ein Zinkblendelager ab, welches sich jedoch als nicht sehr ergiebig erwies.

In den letzten Jahren mehren sich im Ridnaun und im Passeier die Stimmen, welche eine Öffnung des Kaindlstollens befürworten. Für die nächsten Jahre sind Sondierungsarbeiten in diesem Sinne geplant.